"Der Norweger Arne Lygre erzählt in seinem neuen Stück vom Alleinsein und Verlassenwerden, von der Sehnsucht nach Geborgenheit. Kathrin Mädler inszeniert das in Oberhausen als intensives Gemeinschaftstheater." nachtkritik
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https://www.youtube.com/watch?v=90AM_pELdYwhttps://www.youtube.com/watch?v=90AM_pELdYw
Zeit für Freude (DSE)
von Arne Lygre
Theater Oberhausen 2023
Großes Haus
Bühne & Kostüme: Franziska Isensee
Musik: Juri Kannheiser
Dramaturgie: Laura Mangels
Mit: Khalil Fahed Aassy, Nadja Bruder, Susanne Burkhardt, Anke Fonferek, Regina Leenders, Daniel Rothaug, Tim Weckenbrock, Klaus Zwick und Ekaterina Isachenko (Gesang)
Fotos: Andreas Etter
"Bei ihrer neuen Inszenierung, der deutschsprachigen Erstaufführung des norwegischen
Stücks "Zeit für Freude" von Arne Lygre, ist schön zu sehen, wie Mädler es meint, wenn sie
sagt, Theater sei ein Ort "wo man viel von sich gibt, aufmacht und an der Seele schraubt".
Lygres Sektion familiärer Beziehungsgeflechte, eine Befindlichkeitsstudie par excellence,
bringt die Intendantin als starres, dabei aber ungeheuer aufgeladenes Prachttableau auf
die Bühne: In übergroßen, altweißen Luxusgewändern, später im Pelz, verhandeln Archetypen
wie "die Mutter" und "die Schwester" ihr Verhältnis untereinander und ihre Gefühle
füreinander. Durchmischt mit live gesungenen Schumann-Liedern ist das wohl das, was
Mädler selbst, quasi präventiv, als potenziellen Kitsch bezeichnet hat. Aber es ist kein
Kitsch, sondern einfach Theater, das nicht vor großen Emotionen zurückschreckt, ohne
dabei je ins Melodram abzurutschen." (Alexander Menden, Süddeutsche Zeitung)
"Zeit für Freude heißt das in Oslo bereits gefeierte neue Stück. In gewohnter Weise lotet Arne Lygre Tiefen und Untiefen der menschlichen Existenz aus, diesmal in Bezug auf Freundschaft, Liebe und Verlust. In Oberhausen hat Intendantin Kathrin Mädler jetzt die deutsche Erstaufführung als wuchtiges Sprechtheater inszeniert, großartig ausgestattet und musikalisch stimmig gerahmt von romantischer Kunstmusik. Keine leichte Kost, aber intensives Theater.
Die Schauspieler:innen, allen voran die starke Anke Fonferek als Mutter und Tim Weckenbrock als Aksle (und später als David) tragen den Abend weitgehend mit vollem Einsatz und großem Ernst.
Ein starker Theaterabend, der nachwirkt.“ (Karin Yeşilada, nachtkritik.de)
„Kathrin Mädlers Inszenierung betont das Zeitlos-Universelle der Gefühle und Sehnsüchte von Lygres Charakteren. Die Schauspieler, allen voran Anke Fonferek Tim Weckenbrock und Klaus Zwick hauchen den Figuren Leben ein und machen den gut dreistündigen Abend so zu einer Zeit der Freude.“ (Klaus Stübler, Ruhr Nachrichten)
„Schließlich durchschreiten die alsbald wieder menschlichen Dinos den ersten Akt in opulentesten Roben mit schwingenden Reifröcken, jeder Faltenwurf so exzentrisch wie exquisit. Solche selten gesehenen Kostüme stehen nicht nur für Etikette – sie halten die Figuren auch auf Abstand: ein genialischer Coup, der die Dramatikerworte von Freude, Nähe und Miteinander augenfällig konterkariert. Und das komplizierteste Tannenzapfen-Kleid trägt Anke Fonferek in ihrer plaudersüchtigen Mutterrolle. Um sie kreiselten die sieben weiteren Mitspieler eines wieder mal hochklassig aufspielenden Ensembles. Für sie brandete der Schlussapplaus am lautesten auf: hochverdient.
Anke Fonferek gehörte auch jener zentrale Satz, der fast unterging in Arne Lygres steilem Wort-Massiv: „Es ist so fein gewebt, dieses Leben. Die Maschen können jederzeit reißen.“ Denn eigentlich lauert hinter dem mütterlichen Wortschwall der Wiedersehensfreude stets die Angst vor Verlassenheit. Regina Leenders als Tochter darf gekonnt an dieser Fassade kratzen: Bei ihr markiert jede der sparsamen Gesten eine weitere Nuance zwischen Ironie und Sarkasmus.
Die Ausstattungskunst im Theater Oberhausen übertrumpft das Drama „Zeit für Freude“ des Norwegers Arne Lygre mit bildmächtigen Rätseln.“ (Ralph Wilms, WAZ)
„Vielleicht ist Gemeinschaft ja doch die Lösung, weil sich im Beisammensein all unsere existentiellen Untiefen ein Stück weit besser ertragen lassen, all die Verluste und Ängste und menschlichen Krisen. Davon zumindest geht der preisgekrönte, norwegische Dramatiker Arne Lygre aus. Ausstattungsleiterin Franziska Isensee hat für das zeitlose Geschehen eine artifizielle kleine Welt erschaffen, die schon beim Heben des Vorhangs Staunen macht. Unnahbar sind sie in dieser Künstlichkeit, wandeln herum und reden mehr mit uns – dem Publikum – als miteinander. Kann man sich überhaupt freuen, Nähe zulassen in dieser Steifheit, dieser Unfreiheit? Letztlich nur punktuell – das erzählt uns Kathrin Mädlers Inszenierung mit präzise getimten Dialogen und einem Ensemble, aus dem vor allem Anke Fonferek als Mutter mit ihrer zupackenden, emotionalen Art hervorsticht.
Zeit für Freude führt uns jene zwiespältigen Sehnsüchte vor Augen, denen wir postpandemisch mehr denn je ausgeliefert sind: Gemeinschaft hilft dem Überleben, das dennoch leider tödlich endet.“ (Ulrike Kolter, Die Deutsche Bühne)