"Solche Zugriffe gelingen, weil sie sich ureigenster Mittel des Theaters bedienen... letztlich ein Theater, das vor allem sich selbst vertraut.“ (taz)

Der Vorfall (DSE)
von Deirdre Kinahan
Staatstheater Mainz 2022
Kleines Haus

Bühne & Kostüme: Mareike Delaquis Porschka
Musik: Cico Beck
Dramaturgie: Jörg Vorhaben

Mit: Vincent Doddema, Katharina Hackhausen, Klaus Köhler, Hannah von Peinen, Isa Weiß

Fots: Andreas Etter

"Während der pointierte Text die aufwühlende Lage immer weiter zuspitzt, nähert sich Regisseurin Kathrin Mädler in ihrer deutschsprachigen Erstaufführung am Staatstheater Mainz dem Stoff mit ruhiger und konzentrierter Haltung an. Sie lässt den Dialogen und allen voran der inneren Krise Sandras Raum, ohne auf wenige, dafür jedoch perfekt gesetzte Bilder zu verzichten. So friert sie etwa mehrfach das Spiel ein." (...)

Gewiss findet man diese Tage unzählige Dramen, die toxische Männlichkeit anklagen und die die Brutalität einer chauvinistischen Machtordnung verdeutlichen. Kein akademischer Diskurs wird gescheut, um die patriarchale Logik der Zerstörung zu entlarven. Dass Theater allerdings auch anders kann, dass es uns, ohne belehrsam sein zu wollen, mit jenem Problemfeld emotional zu überwältigen imstande ist, zeigt Kathrin Mädler auf erschütternde Weise. Ihre Inszenierung erfasst uns wie ein eisiger Wind. Kühl fühlt sich die Haut an, in der wir uns nicht mehr wohlfühlen. Hier offenbart sich keine Bühnenillusion. Vielmehr wirkt bestechend klar der Schock des Realen." (Die deutsche Bühne)

„Wo sind also die Zwischenräume geblieben? Wo die Ambivalenz? Wo findet man noch, um es mit dem Theaterwissenschaftler Florian Malzacher zu sagen, „die Kunst, die selbstreflexiv ist, aber nicht in die Falle der Selbstreferentialität tappt“? – „eine Kunst, die politische Themen nicht als lautstarke Klischees aufgreift, dennoch klare Positionen wagt und dabei sowohl innere als auch äußere Widerstände aushält“?

Sicher, man findet sie noch. Aktuell beispielsweise in dem am Staatstheater Mainz zu sehendem Stück „Der Vorfall“. Hierin verhandelt die Autorin Deirdre Kinahan eine zurückliegende Vergewaltigung ihrer Protagonistin. Als jene Jahre danach ihrem Peiniger wieder begegnet, brechen alte Narben auf. Weil die Erinnerungen daran eigentlich nie weg waren, befinden sich auf der Bühne daher oftmals Frauen in Party­kleidern. Für die Figuren sind sie unsichtbar und doch fungieren sie als menschliche Mahnmale, als Geister, die nie weg waren.

Solche Zugriffe gelingen, weil sie sich ureigenster Mittel des Theaters bedienen. Sie setzen auf schauspielerische Verve, auf stringente Entwicklung von Bildern und Szenen, auf gehaltvolle Dialoge, die nicht einer unmittelbaren didaktischen Ambition entspringen. Und sie bauen auf dem emotionalen und gleichsam wachrüttelnden Elan der Gesamtkomposition aus Musik, Text und Kulisse. Es braucht also kein Oberseminar auf dem Parkett, um Dekons­truktion zu vermitteln, sondern letztlich ein Theater, das vor allem sich selbst vertraut.“ (taz)

"Realität und Vorstellung verschwimmen auch bei dem, was sich knappe 90 Minuten lang vorne abspielt. Mehrmals wird eine Schleife gedreht, sind unterschiedliche Versionen des Geschehens an diesem einen Abend zu sehen, der für Sandra das willkommene Wiedersehen mit früheren Freunden, aber auch die unerwartete Konfrontation mit dem nie verarbeiteten traumatischen Erlebnis bereithält." (Allgemeine Zeitung)


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